Interview zur Wildrose

Warum es eine Schriftstellerin immer wieder ins raue Bergland an der irischen See zieht…
Interview mit Constanze Wilken 

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Nach vier historischen Romanen nun ein Gegenwartsroman. Warum dieser Wechsel?
C.W.: Ganz neu ist das Genre des spannenden Frauenromans nicht für mich, denn meine ersten vier Romane waren ähnlich angelegt. Auch, wenn dort oft ein historisches Geheimnis die Triebfeder der Geschichte war. Der Duft der Wildrose spielt ausschließlich in der Gegenwart mit Rückblicken in das Leben einer der Hauptfiguren.

Menschliche Schicksale sind spannend und jeder Zeit faszinierend. Im Historiengenre spielen Faktoren, wie die genaue Recherche der geschichtlichen Umstände, die gesellschaftlichen Regeln, soziale und politische Gegebenheiten, Kleidung, eine wichtige Rolle. Ich habe ein ganzes Regal voller Literatur über historische Kostüme, Stoffe und sogar ein Buch über die Unterwäsche des 17. Jahrhunderts. Das fällt in der Gegenwart weg und ich kann mich auf andere Aspekte konzentrieren.

Sie haben lange in Wales gelebt. Was fasziniert Sie an diesem Land?
C.W.: Auf der Suche nach einer Universität, an der ich für meine Doktorarbeit forschen konnte, kam ich nach Aberystwyth. Das kleine Städtchen liegt in einer Bucht an der Irischen See. An einem stürmischen Septembernachmittag kam ich dort an. Der Regen peitschte die Gischt vom Strand zur Straße herauf, graue Wolkenbänke zogen über den Himmel und auf dem Hügel vor mir thronte die National Library of Wales. Entlang der Uferpromenade zogen sich bunte Ferienhäuschen und auf dem kabbeligen Wasser des kleinen Hafens tanzten Boote.
Es war Liebe auf den ersten Blick. Ich dachte noch, hoffentlich passt es mit der Stelle am Institut. Es passte und ich blieb fünf Jahre in Wales, hängte noch eines dran und schrieb dort meinen ersten Roman „Die Frau aus Martinique“.
Aber zurück zu Ihrer Frage – die Landschaft ist einfach unglaublich schön und abwechslungsreich. Im Hinterland grüne Hügel mit schroffen Felskuppen, an der Küste Klippen aber auch Sandstrände, ein weitläufiges Netzwerk von Wanderwegen durch die Nationalparks. Naturschutz wird hier großgeschrieben und die Orte haben sich ihren Charme bewahren können. Kleine bunte Cottages an der Küste und in den Bergen Häuser aus Naturstein, dazu die traditionelle Pubkultur, viele gute vegetarische Restaurants und Bioläden. Haben Sie schon mal walisischen Schafskäse gekostet? Großartig! Nicht zu vergessen die Menschen, unglaublich gastfreundlich und herzlich. Gibt es noch eine Frage? Ich muss mich hier unterbrechen… (lacht)

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Das Cover ist sehr stimmungsvoll und wir fragen uns, ob es einen Schauplatz des Romans zeigt?
C.W.: Das ist die Bucht vor Portmeirion, Tremadog Bay. In Portmeirion spielt ein Teil meiner Geschichte, denn Birdie, eine der Hauptfiguren, hat dort ihren Porzellanladen. Vielleicht kennen Sie Porzellan aus Portmeirion? Dadurch wurde der Ort bekannt. Aber er ist einfach etwas ganz Besonderes, denn dort hat sich der exzentrische Architekt, Sir Clough Williams-Ellis, 1925 seinen Traum von Italien verwirklicht.

Portmeirion wird auch „the last Folly“, die letzte Verrücktheit genannt. Verrückt, verspielt, zauberhaft und auf jeden Fall sehenswert ist diese Ansammlung architektonischer Verspieltheiten mit Arkaden, Rosengarten, Brunnen und einem ausgedehnten Park mit eigenem Leuchtturm. Die Häuser, darunter ein Pantheon, the Green Dome, verteilen sich malerisch an den Hängen entlang der Bucht.
Ich kannte den Ort von früheren Aufenthalten und wusste, dass dort irgendwann eine Geschichte spielen muss.

Haben Sie vor Ort recherchiert oder haben sie während früherer Aufenthalte bereits genug Material gesammelt?
C.W.: Ich kenne Wales ziemlich gut, aber einige Orte wollte ich mir noch einmal genau anschauen. Meine Geschichte ist zwar fiktiv aber die Schauplätze sind real und vor allem die Szenen, die in Snowdonia spielen, musste ich vor Ort nachvollziehen können. Der Snowdonia Nationalpark gehört zum Schönsten, was Wales an Natur zu bieten hat und ich hatte diese Idee von einem Drama am Berg. Also habe ich mich vor meiner Reise mit der Parkverwaltung in Verbindung gesetzt. Das Hauptgebäude sitzt in Penrhyndeudraeth. Toller Name oder?

Über das gesamte Gebiet des Parks sind Zweigstellen verteilt, in denen die verantwortlichen Ranger arbeiten. Mit einem dieser Ranger war ich verabredet. Er hat mir Einblick in seine Arbeit gewährt und mir interessante Details über den Vogelschutz und vor allem den unfassbaren Diebstahl von seltenen Vogeleiern erzählt.

Was hat es mit diesem Eierdiebstahl auf sich?
C.W.: Ifan Jones, der Ranger des Snowdonia Nationalparks, machte mich auf eine existierende illegale Szene von Eiersammlern aufmerksam, deren Mitglieder auf der ganzen Welt unterwegs sind, um seltene Vogeleier für ihre Vitrinen zu stehlen. Durch diese egoistische Sammelleidenschaft werden ganze Bestände ausgerottet. Diese skurril anmutende Leidenschaft hat ihre Wurzeln im 18. Jahrhundert und aus dieser Zeit datieren Sammlungen mit tausenden von Vogeleiern. Notorische Sammler werden in England immer wieder gefaßt und mit Gefängnisstrafen belegt.
In Snowdonia sind es die Eier von Seeadlern und Dohlen (chough), die besonders begehrt sind.

wildrosespecialK5Dann haben ihre Figuren reale Vorbilder?
C.W.:(schmunzelt) Bis zu einem gewissen Grad, aber alle Figuren sind fiktiv, auch mein Ranger, Jake, in den sich Caitlin verliebt. Mir ist es bei all meinen Romanen wichtig, in der Region, in der die Handlung angesiedelt ist, mit Menschen zu sprechen, mir ihre Lebensgewohnheiten, ihre Eigenheiten, Marotten etc. anzuschauen. Das macht letztendlich die Atmosphäre einer Szene aus.

Haben Sie eine Lieblingsfigur?
C.W.: Alle Charaktere wachsen mir während des Schreibens auf ihre Art ans Herz, aber mit Birdie habe ich besonders gefühlt. Ohne zu viel zu verraten, erscheint sie auf den ersten Blick als die Geradlinige, doch auch bei ihr ist nicht alles so, wie es scheint. Man ahnt schon im ersten Kapitel, dass es einen schwerwiegenden Konflikt zwischen den Schwestern geben wird. Und natürlich bin ich gern mit Caitlin durch alle Höhen und Tiefen gewandert.

Woran arbeiten Sie zur Zeit?
Mit Begeisterung an einem weiteren Walesroman…